Manchmal geht das Leben komische Wege. Kaum war der gestrige Blogbeitrag geschrieben und veröffentlicht, da fällt mir ein Artikel in der Wirtschaftswoche zum Thema „Geschäftsreisen“ (link) in die Finger.
Dieser präsentiert Ergebnisse aus der Studie „Chefsache Business Travel 2020″ im Auftrag des Deutschen Reiseverbands (DRV). Nun liegt es auf der Hand, dass eine Studie des Reiseverbands auch zum Ergebnis kommt, dass Menschen wieder mehr reisen wollen, aber einige der dargestellten Argumente kann ich sehr gut nachvollziehen.
Der Studie folgend wurden rund 70% der bisherigen Geschäftsreisen durch Online-Formate ersetzt und nur 16% der eigentlich geplanten persönlichen Termine mit Kunden oder Dienstleistern fanden statt. Das sind Werte, die ich aus eigener Erfahrung nur unterstreichen kann, denn bei mir persönlich war die Online-Quote nochmal deutlich höher.
85% der befragten Manager äußern aber, dass ihnen persönliche Formate lieber sind, als technische, 43% geben auch an künftig wieder mehr reisen zu wollen, um den persönlichen Ansatz wieder zu verstärken.
Selbstverständlich spielt hier auch viel Zurückkämpfen in alten Status mit. Viel unterwegs zu sein, von seinem Unternehmen durch die Welt geschickt zu werden, trägt immer noch viel zu einem hohen Ansehen in der Berufswelt bei. Zur Effektivität oder Effizienz stellen wir typischerweise keine Fragen. Die letzten Monate haben diesen Status zertrümmert, haben gezeigt, dass vieles eben doch anders und ebenso gut geht.
Aber klammern wir das Thema Status mal aus. Gibt es trotzdem gute Gründe, das persönliche Gespräch wieder hervorzuheben? Dazu bin ich an einem Satz hängen geblieben, der mich auch zu diesem Beitrag bewegt hat:
Dazu kommt, dass es dem Hirn schwerer fällt, nicht-verbale Kommunikation auf dem Bildschirm zu deuten.
Wirtschaftswoche, 21.06.2020 / Beitrag „Deutsche Manager spüren die Zoom-Müdigkeit“ – Link siehe oben
Dazu kann ich nur sagen: Ja!
Ich habe in meinem gestrigen Blogbeitrag (link) schon eine Aussage aus dem Kreis der Teilnehmer zitiert, der in dieselbe Richtung geht. Genau hier liegt für mich auch der tatsächlich einzige Grund, warum wir künftig Reisen aus geschäftlichen Gründen als Unternehmer und Unternehmen noch durchführen sollten.
Gerade in sensiblen Thematiken zwischenmenschlicher Kommunikation (z.B. Konfliktmediation, Preisverhandlungen, erstes Kennenlernen u.ä.) kommt der nicht-verbalen Kommunikation ein ganz wichtiger Anteil zu. Wenn der Anteil durch die technische Hürde tatsächlich gestört ist, dann kann das optimale Ergebnis gar nicht entstehen. Wir verlieren wichtige Qualität in der Entscheidung, weil wir wichtige Qualität in der Beziehung verlieren.
Aber ist das die Berechtigung für das Wiederaufkommen des vollständigen Statustourismus? Nein!
Wir müssen und können lernen, wo wieder das persönliche Treffen für Beziehungsqualität wichtig ist und wo sachliche Klärung auch technisch funktioniert. Das persönliche Gespräch braucht wieder mehr Wertschätzung und mehr Ansehen, als etwas Besonderes, dass auch nur für bestimmte Gesprächssituationen bewusst eingesetzt wird.
Die Frage, ob Präsenz eine Berechtigung hat, habe ich für mich gestern schon beantwortet. Das heutige Zitat aus der Wirtschaftswoche festigt für mich nur diese Entscheidung, zeigt mir aber auch, welchen Reisewahnsinn wir als Gesellschaft zugelassen und gefördert haben.
Können wir gemeinsam umdenken? Was glaubt Ihr/glauben Sie? Wo müssen wir ansetzen?
Ich freue mich auf die Rückmeldungen!